Fabers Frauenbild



Fabers Frauenbild


Durch den Roman hindurch konstruiert Faber stereotype Gegensätze zwischen Technik und Natur, Rationalismus und Mystik, Amerika und Europa. Auch die Beziehung der Geschlechter ist für ihn geprägt durch einen unauflösbaren Gegensatz zwischen Mann und Frau. Während er nüchterne Sachlichkeit als primäres Geschlechtsmerkmal des Mannes postuliert, zeichnen sich Frauen für ihn durch Hysterie, Hinwendung zur Mystik, das ständige Bedürfnis, über Gefühle zu sprechen, und eine allgemeine Neigung, „unglücklich zu werden“, aus. Frisch porträtierte in der Figur Fabers einen zeittypischen Antifeminismus und griff zurück auf Beobachtungen aus Simone de Beauvoirs einige Jahre zuvor erschienenem Werk Das andere Geschlecht. Nach diesem begreife sich der Mann als Subjekt, als Mittelpunkt der Welt, während Frauen für ihn zur „Kategorie des Anderen“ gehören und als unterlegen und minderwertig angesehen werden. Fabers klischeehafte Wahrnehmung der Geschlechter zeigt sich deutlich in der Beziehung zu Ivy, die, von ihm nicht als gleichberechtigte Partnerin akzeptiert, ihm fortwährend lästig fällt. Vor allem die Körperlichkeit Ivys verstört Faber, der Sexualtrieb entzieht sich der Kontrolle des Technikers, er fühlt sich „durch Trieb dazu genötigt“, empfindet das sexuelle Bedürfnis als „geradezu pervers“. Die Verantwortung für seine Triebe weist er der Frau zu, die sie hervorruft, unterstellt ihr Hinterlist und Berechnung. Er fühlt sich von Ivy „bedrängt“ und gibt zu, in Wahrheit gar nichts über sie zu wissen. In der Beziehung zu Ivy erweist sich Faber als bindungsunfähiger Egozentriker.

http://www.tvmovie.de/sites/www.tvmovie.de/files/import/images/content/31462/homo-faber-211056.jpg

Eine andere Form der Begegnung mit dem weiblichen Geschlecht eröffnet ihm erst Sabeth mit ihrer ihn beeindruckenden Unbeschwertheit und Lebenslust. Sabeth ist ihm im Gegensatz zu anderen Frauen nicht lästig, auf dem Schiff und in Paris sucht er ihre Nähe. Faber erlebt an ihrer Seite den Genuss des Augenblicks: „ich kann nur sagen, daß ich glücklich gewesen bin, weil auch das Mädchen, glaube ich, glücklich gewesen ist“. Dennoch bleibt Sabeth für Faber ein Ersatz, geht es nie um die wirkliche Begegnung mit ihr. Sie bleibt das „Mädchen mit dem blonden Roßschwanz“ und dem „Hanna-Mädchen-Gesicht“. Sie bleibt eine Vermittlerin, die die einzig wirkliche Liebe in Fabers Leben wieder wachruft, die Liebe zu Hanna, jener Frau, mit der selbst die verabscheute Sexualität „nie absurd gewesen“ ist. Hanna war die einzige Frau in Fabers Leben, die sich seiner Rollenfixierung widersetzte, die er als wirklich gleichgestellte Partnerin begreifen konnte. Sie brachte seinen männlichen Herrschaftsanspruch ins Wanken, und genau das beeindruckte Faber: „Hanna brauchte mich nicht“. Ihre Selbständigkeit, ihr Erfolg erstreckte sich auch auf ihren Beruf, eine nach Fabers Weltbild männliche Domäne, ohne dass sie, wie er erstaunt feststellt, dadurch „unfraulich“ geworden sei, so dass er sich zum Bekenntnis durchringt: „Ich bewundere sie.“ Dabei bleibt Fabers Bewunderung bis zum Schluss unverständig. Hanna ist für ihn eine Mischung aus Vertrautheit und Fremdheit, wobei gerade ihre Widersprüche Hanna für ihn interessant machen.

Psychoanalytische Interpretationen deuten Fabers Fixierung auf Hanna auch als seine Sehnsucht nach der Rückkehr zur Mutter. So zeichneten sich die weiblichen Figuren des Romans durch drei Eigenschaften aus: mütterliche Fürsorge, Dominanz (beides beispielsweise verkörpert durch die „dicke Negerin“ in der Flughafentoilette), sowie eine Distanz, die Fabers Zudringlichkeit hervorrufe: ein Motiv, das sich zuerst bei der Stewardess zeige, und sich später in der als Zudringlichkeit empfundenen Annäherung des nackten Fabers an Sabeth am Strand wie an Hanna in deren Wohnung wiederhole. Nach Sabeths Unfall zeichne sich Fabers Entwicklung durch Regression in eine ödipale Phase aus: Erst lasse er die Uhr und damit seine zeitliche Orientierung am Strand zurück, in der Stadt verliere er seine räumliche Orientierung und ohne Beherrschung der Sprache komme er sich „wie ein Analphabet vor, völlig verloren.“ In Sabeths Zimmer nehme er das letzte Stadium einer pränatalen Regression ein: „ich saß […] vornüber gekrümmt […] wie ein Fötus“.

3 Kommentare:

  1. Was verstehst du unter dem Begriff ödipale Phase?

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. http://de.wikipedia.org/wiki/%C3%96dipuskonflikt

      für die ganz blöden unter euch !

      Aber super Anmerkung Laura

      Löschen
  2. Dieser Kommentar wurde vom Autor entfernt.

    AntwortenLöschen