Fabers Frauenbild
Durch den Roman hindurch konstruiert Faber stereotype
Gegensätze zwischen Technik und Natur, Rationalismus und Mystik, Amerika und
Europa. Auch die Beziehung der Geschlechter ist für ihn geprägt durch einen
unauflösbaren Gegensatz zwischen Mann und Frau. Während er nüchterne
Sachlichkeit als primäres Geschlechtsmerkmal des Mannes postuliert, zeichnen
sich Frauen für ihn durch Hysterie, Hinwendung zur Mystik, das ständige
Bedürfnis, über Gefühle zu sprechen, und eine allgemeine Neigung, „unglücklich
zu werden“, aus. Frisch porträtierte in der Figur Fabers einen zeittypischen
Antifeminismus und griff zurück auf Beobachtungen aus Simone de Beauvoirs
einige Jahre zuvor erschienenem Werk Das andere Geschlecht. Nach diesem
begreife sich der Mann als Subjekt, als Mittelpunkt der Welt, während Frauen
für ihn zur „Kategorie des Anderen“ gehören und als unterlegen und minderwertig
angesehen werden. Fabers klischeehafte Wahrnehmung der Geschlechter zeigt sich
deutlich in der Beziehung zu Ivy, die, von ihm nicht als gleichberechtigte
Partnerin akzeptiert, ihm fortwährend lästig fällt. Vor allem die
Körperlichkeit Ivys verstört Faber, der Sexualtrieb entzieht sich der Kontrolle
des Technikers, er fühlt sich „durch Trieb dazu genötigt“, empfindet das
sexuelle Bedürfnis als „geradezu pervers“. Die Verantwortung für seine Triebe
weist er der Frau zu, die sie hervorruft, unterstellt ihr Hinterlist und
Berechnung. Er fühlt sich von Ivy „bedrängt“ und gibt zu, in Wahrheit gar
nichts über sie zu wissen. In der Beziehung zu Ivy erweist sich Faber als
bindungsunfähiger Egozentriker.
Eine andere Form der Begegnung mit dem weiblichen Geschlecht
eröffnet ihm erst Sabeth mit ihrer ihn beeindruckenden Unbeschwertheit und
Lebenslust. Sabeth ist ihm im Gegensatz zu anderen Frauen nicht lästig, auf dem
Schiff und in Paris sucht er ihre Nähe. Faber erlebt an ihrer Seite den Genuss
des Augenblicks: „ich kann nur sagen, daß ich glücklich gewesen bin, weil auch
das Mädchen, glaube ich, glücklich gewesen ist“. Dennoch bleibt Sabeth für
Faber ein Ersatz, geht es nie um die wirkliche Begegnung mit ihr. Sie bleibt
das „Mädchen mit dem blonden Roßschwanz“ und dem „Hanna-Mädchen-Gesicht“. Sie
bleibt eine Vermittlerin, die die einzig wirkliche Liebe in Fabers Leben wieder
wachruft, die Liebe zu Hanna, jener Frau, mit der selbst die verabscheute Sexualität
„nie absurd gewesen“ ist. Hanna war die einzige Frau in Fabers Leben, die sich
seiner Rollenfixierung widersetzte, die er als wirklich gleichgestellte
Partnerin begreifen konnte. Sie brachte seinen männlichen Herrschaftsanspruch
ins Wanken, und genau das beeindruckte Faber: „Hanna brauchte mich nicht“. Ihre
Selbständigkeit, ihr Erfolg erstreckte sich auch auf ihren Beruf, eine nach
Fabers Weltbild männliche Domäne, ohne dass sie, wie er erstaunt feststellt,
dadurch „unfraulich“ geworden sei, so dass er sich zum Bekenntnis durchringt:
„Ich bewundere sie.“ Dabei bleibt Fabers Bewunderung bis zum Schluss
unverständig. Hanna ist für ihn eine Mischung aus Vertrautheit und Fremdheit,
wobei gerade ihre Widersprüche Hanna für ihn interessant machen.
Psychoanalytische Interpretationen deuten Fabers Fixierung
auf Hanna auch als seine Sehnsucht nach der Rückkehr zur Mutter. So zeichneten
sich die weiblichen Figuren des Romans durch drei Eigenschaften aus:
mütterliche Fürsorge, Dominanz (beides beispielsweise verkörpert durch die
„dicke Negerin“ in der Flughafentoilette), sowie eine Distanz, die Fabers
Zudringlichkeit hervorrufe: ein Motiv, das sich zuerst bei der Stewardess
zeige, und sich später in der als Zudringlichkeit empfundenen Annäherung des
nackten Fabers an Sabeth am Strand wie an Hanna in deren Wohnung wiederhole.
Nach Sabeths Unfall zeichne sich Fabers Entwicklung durch Regression in eine
ödipale Phase aus: Erst lasse er die Uhr und damit seine zeitliche Orientierung
am Strand zurück, in der Stadt verliere er seine räumliche Orientierung und
ohne Beherrschung der Sprache komme er sich „wie ein Analphabet vor, völlig
verloren.“ In Sabeths Zimmer nehme er das letzte Stadium einer pränatalen
Regression ein: „ich saß […] vornüber gekrümmt […] wie ein Fötus“.
Was verstehst du unter dem Begriff ödipale Phase?
AntwortenLöschenhttp://de.wikipedia.org/wiki/%C3%96dipuskonflikt
Löschenfür die ganz blöden unter euch !
Aber super Anmerkung Laura
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